Die Pflege in den eigenen vier Wänden ist beliebt – alleine im Jahr 2021 erhielten 84 % der Pflegebedürftigen eine häusliche Pflege. Doch obwohl es sich um ein häufig gewähltes Pflegeumfeld handelt, gibt es noch immer viele Irrtümer, sowohl in pflegerischen als auch in finanziellen Bereichen. Wir räumen heute mit den häufigsten davon auf.
1. Die häusliche Pflege gehört in die Hände von Pflegeexperten
Eine Pflegefachkraft durchläuft mehrere Jahre der Ausbildung – hier steht sowohl praktischer als auch theoretischer Unterricht auf dem Plan. Im Berufsleben sammeln professionelle Pflegepersonen dann weiter Erfahrungen, was sie zu einem unschätzbaren Partner bei der Pflege macht. Das bedeutet aber nicht, dass die häusliche Pflege nicht auch von pflegenden Angehörigen durchgeführt werden kann. Sie haben in der Regel eine enge Bindung zu dem Pflegebedürftigen – der Vertrauensbonus ist vor allem bei sensiblen Pflegemaßnahmen, wie der Intimhygiene, spürbar. In angespannten Situationen wie einer Desorientierung bei Demenz wirken vertraute Personen außerdem meist besonders beruhigend auf Erkrankte ein. In vielen Pflegesituationen bietet sich daher eine häusliche Pflege durch Angehörige an, die durch einen ambulanten Pflegedienst unterstützt wird. Für die Finanzierung professioneller Pflegekräfte können Menschen mit einem Pflegegrad die sogenannten Pflegesachleistungen einsetzen.
2. Angehörige müssen sich die häusliche Pflege selbst beibringen
Tritt in der Familie ein plötzlicher Pflegefall ein, ruft das eine gewisse Verunsicherung hervor. Angehörige stellen sich nicht nur die Frage, wie die Pflege nun finanziell gestemmt werden kann, sondern auch woher sie die Expertise für die Pflege nehmen sollen – schließlich haben nur die wenigsten von ihnen eine Ausbildung in dem Bereich. Viele Menschen glauben, dass sie sich die Handgriffe und die nötigen Hintergrundinformationen selbst aneignen müssen. Insbesondere dann, wenn eine komplexe Pflegesituation besteht, fühlen sich Angehörige mit dem Gedanken an das, was vor ihnen liegt, überfordert. Dabei gibt es ein wertvolles Angebot der Pflegekasse. Sie bietet Angehörigen und Menschen, die sich ehrenamtlich für die Pflege einsetzen, spezielle Schulungskurse an. Die sogenannten Pflegekurse sind kostenfrei. Oftmals führt die Pflegekasse diese in Zusammenarbeit mit Pflegediensten, Volkshochschulen oder Bildungsvereinen durch. Bei Interesse können sich Angehörige an die Pflegekasse ihres Familienmitglieds wenden.
3. Schwerstpflegebedürftige müssen in ein Pflegeheim
Die Pflegebedürftigkeit fällt sehr unterschiedlich aus. Manche Menschen benötigen lediglich eine leichte Unterstützung, zum Beispiel beim Wocheneinkauf. Andere hingegen sind auf eine tatkräftige Hilfe im Bereich der Grundpflege, also der Ernährung, Körperpflege und Mobilisation, angewiesen. Um genau diese Unterschiede festzuhalten und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, gibt es den Pflegegrad. Die Pflegekasse teilt Pflegebedürftige auf Antrag in einen Pflegegrad ein und verteilt daran angelehnt die Leistungen. Schwerstpflegebedürftige besitzen zumeist den Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5 und benötigen oft rund um die Uhr Aufmerksamkeit. Daher liegt der Verdacht nahe, das Schwerstpflegebedürftige automatisch in ein Pflegeheim umziehen müssen. Allerdings gibt es viele Möglichkeiten, auch Angehörige mit einem hohen Pflegebedarf zu Hause zu versorgen. Möglich macht das die Zusammenarbeit mit einem Pflegedienst oder Intensivpflegedienst – auch eine sogenannte 24-Stunden-Pflegekraft, die in den Haushalt einzieht, ist eine willkommene Unterstützung.
4. Das Pflegeunterstützungsgeld gibt es nur einmal
Stellen Sie sich vor, es kommt plötzlich zu einer Pflegesituation, mit der niemand gerechnet hat. Nun müssen Sie vieles regeln, um Ihr Familienmitglied bestmöglich zu versorgen. Sind Sie berufstätig, können Sie in einem solchen Fall bis zu zehn Tage von der Arbeit fernbleiben. Damit Sie keinen großen finanziellen Schaden erleiden, gibt es das Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung. Zuständig dafür ist die Pflegekasse Ihres Angehörigen – hier müssen Sie einen Antrag stellen.
Das läuft folgendermaßen:
Nach Eintreten der akuten Pflegesituation stellen Sie unverzüglich bei der Pflegekasse einen Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld.
Legen Sie im Zuge dessen eine ärztliche Bescheinigung bei der Pflegekasse vor.
Die Pflegekasse stellt Ihnen eine Bescheinigung über den Bezug des Pflegeunterstützungsgeldes aus, diese legen Sie zeitnah bei Ihrem Arbeitgeber vor.
Die Änderungen der Pflegeleistungen ab 2024 haben auch frischen Wind beim Pflegeunterstützungsgeld gebracht. Angehörige können die Lohnersatzleistung nun pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage beanspruchen und nicht wie früher, nur einmal je pflegebedürftiger Person.
5. Pflegebedürftige müssen dem Pflegedienst Pflegehilfsmittel bereitstellen
Eines ist bei der häuslichen Pflege besonders wichtig: Hygiene. In einem hygienischen Umfeld fühlen sich Pflegebedürftige nicht nur wohl, es trägt auch dazu bei, Infektionen zu verhindern. In dem Zusammenhang sind Pflegehilfsmittel zum Verbrauch entscheidend. Dabei handelt es sich um Produkte, die sich bei Nutzung leeren. Dazu zählen beispielsweise Desinfektionsmittel, Mundschutzmasken, Schutzschürzen oder Einmalhandschuhe. Damit Pflegebedürftige für die Anschaffung nicht selbst aufkommen müssen, gibt es die sogenannte Pflegehilfsmittelpauchale. Die Pflegekasse stellt dabei monatlich 40 Euro für den Kauf der Produkte bereit. Pflegebedürftige können sich die tatsächlichen Kosten erstatten lassen oder eine Hilfsmittelbox beziehen – hier kann der Anbieter direkt mit der Pflegekasse abrechnen. Die Pflegehilfsmittel zum Verbrauch sind ausschließlich für die private Pflege bestimmt. Dem Pflegedienst müssen Betroffene keine Produkte zur Verfügung stellen, denn die Mitarbeiter bringen ihre eigenen Verbrauchsmaterialien mit.
Wie Sie sehen, gibt es noch immer viele Irrtümer in der häuslichen Pflege. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie Leistungen abgerechnet werden, woher Sie Informationen rund um die Pflege bekommen oder ob Ihnen eine Unterstützung zusteht, können Sie sich vertrauensvoll an die Pflegekasse Ihres Angehörigen wenden. Außerdem können Sie einen Pflegestützpunkt in Ihrer Nähe aufsuchen – hier beraten Sie Experten kostenlos und geben Antragsformulare heraus.
Jennifer Ann Steinort ist Diplom Gesundheitsökonomin und arbeitet hauptberuflich als Medizinjournalistin. Ihren Schwerpunkt hat die Autorin unter anderem auf das Thema Pflege gelegt.
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